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PROJEKT 02: WALDSTRATEGIE

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«Überhaupt nicht», sagt Genoud und wird schnell konkret. In den Walliser Wäldern, die zu 85 Prozent den Burgergemeinden gehören, liegt ein riesiges Potenzial brach. Das hiesige Holz, das aufgrund der niedrigen Preise auf den internationalen Märkten nicht gewinnbringend verarbeitet werden kann, soll vor Ort genutzt werden, vor allem als Bauholz und Energieholz. Die Bäume sollen hier entnommen und weiterverarbeitet werden, etwa zur Alimentierung eines lokalen Fernwärmenetzes oder für den Bau öffentlicher Infrastruktur.

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In einem ersten Schritt wollen Genoud und Imboden nun untersuchen, wie der Wald heute in den teilnehmenden Gebieten genutzt wird und wie diese Nutzung in Zukunft optimiert werden kann. Zunächst wird eine Bestandsaufnahme der derzeitigen

Nutzung des Waldes in seinen fünf Funktionen (Energieholz, Bauholz, Biodiversität, Schutzfunktion und Sozial/Tourismus) erstellt. Anschliessend wird das theoretische sowie das effektive Potenzial des Waldes analysiert, um herauszufinden, wie viel Holz pro Jahr tatsächlich aus dem Wald entnommen werden kann, ohne dass eine der Nutzungen beeinträchtigt wird. Sobald dieses Potenzial bekannt ist, wird eruiert, wie die Wertschöpfung am besten gestaltet werden kann. Was jetzt bereits klar ist: Die Arbeitsplätze sollen in den lokalen Forstbetrieben bleiben, das Geld bei den Burgergemeinden; und der private Endkunde könnte dereinst zu einem fairen Preis saubere Energie beziehen. Stéphane Genoud sieht im Energieholz eine grosse Chance, die Ölheizungen zumindest teilweise zu ersetzen. Bauholz statt Beton im Hinblick auf die Baubranche, lautet seine zweite Devise. Holz sei eine Ressource, die bei der Reduktion des CO2-Ausstosses eine immanent wichtige Rolle spiele. Heizen mit Holz sei CO2-neutral, da bei der Verbrennung die gleiche Menge an Kohlendioxid freigesetzt wird, wie die Bäume während ihrer Lebensdauer der Atmosphäre entzogen haben. Die gleiche Menge CO2 gelangt somit auch dann in die Umwelt, wenn das Holz ungenutzt in den Wäldern verrottet.

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«Holz ist eine riesige, ungenutzte Ressource», sagt der Zermatter Burgerpräsident Andreas Biner. Man sei sofort bereit gewesen, am HES-SO-Projekt teilzunehmen, zumal man sich bereits seit einiger Zeit ähnliche Überlegungen macht. So wurde vor Kurzem die herkömmliche Erdölheizung im Grand Hotel Zermatterhof durch eine Pelletheizung ersetzt. Der CO2-Ausstoss der ganzen Matterhorn Group AG konnte so von 3 360 Tonnen CO2-eq Treibhausgase auf 2 401 Tonnen CO2-eq Treibhausgase im Jahr verringert werden. Das Holz für die Pelletheizung wird durch die Bewirtschaftung der Zermatter Burgerwälder gewonnen und von der Matterhorn Pellet AG, an der auch die Burgergemeinde beteiligt ist, ohne chemische Zusätze zu Holzpellets verarbeitet. Zudem wird der Ertrag aus dem Verkauf der Pellets an Dritte umgehend wieder in die ökologische Bewirtschaftung der Burgerwälder investiert.

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Auch HES-SO-Professor Stéphane Genoud denkt in konkreten Wertschöpfungskreisläufen, abgeleitet von den Prinzipien der Nobelpreisträgerin Ostrom. Diese beschäftigte sich mit der Frage, wie natürliche Ressourcen gemeinschaftlich genutzt werden können. Dass dabei die geschichtsträchtigen Burgergemeinden eine wichtige Rolle spielen, ist für Genoud kein Widerspruch, im Gegenteil. Die Burgerschaften als Waldbesitzer sowie als ur- und basisdemokratisch geprägte und historisch gewachsene Organisationen seien bestens geeignet, dieses Vorhaben breit abzustützen und weiterzudenken. Genoud bleibt bei seinem Ideal und lacht: «Ich will die Welt verändern – gemeinsam mit ‹Dinosauriern›.»

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Nachweis: Waldstrategie Burgergemeinde Zermatt

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